JENSEN & EMMERICH |
Landgericht Flensburg Südergraben 22
24937 Flensburg |
Flensburg, 22.05.2001 |
286/01E06 |
Bearbeiter: Dr. Emmerich/Hi/4 |
Klage |
2 5. Mai 2001 |
Unser Zeichen: 286/01E06 |
der Gemeinde Hasselberg, 24376 Hasselberg, vertreten durch das Amt Gelting, Süderholm 18, 24395 Gelting, dieses vertreten durch den Amtsvorsteher, Süderholm 18, 24395 Gelting, |
‑ Klägerin ‑ |
Prozeßbevollmächtigte: RAe Jensen & Emmerich, Lise‑Meitner‑Str. 1, Flensburg |
gegen |
Herrn Jörg Hasselberg, Sophienstr. 208 in 76185 Karlsruhe |
wegen: Namensrechtsverletzung (§ 12 BGB). Streitwert: 50.000 DM (geschätzt) |
‑ Beklagter ‑ |
Namens und in Vollmacht der Klägerin erheben wir Klage gegen den Beklagten mit dem Antrag,
1, den Beklagten zu verurteilen, bei Androhung eines für jeden Fall der Zuwi‑ derhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, es zu unter lassen, die Internetadresse "www.hasselberg.de" für eigene Zwecke zu be nutzen;
z. den Beklagten zu verurteilen, gegenüber dem Interessenverband zum Be‑ trieb eines Deutschen Networkinformationscenters (DENIC eG Domain Verwaltungs‑ und Betriebsgesellschaft, Wiesenhüttenplatz 26, 60329 |
Einfache Abschritt |
Peter Jensen |
Dr. Torsten Emmerich jr„~ No~ |
Jan‑Kai Jensen |
Dr. Jürgen Krüger |
‑2 Frankfurt am Main) die Freigabe der Internetadresse "www.hasselberg.de" zu erklären. Sofern das Gericht das schriftliche Vorverfahren anordnen sollte, wird beantragt, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen ein Anerkenntnisurteil nach § 307 Abs. 2 ZPO bzw. ein Versäumnisurteil nach § 331 Abs. 3 ZPO zu erlassen. Begründung: Mit der Klage verlangt die Klägerin die Freigabe einer Domain, die der Beklagte innehat und die die Klägerin für ihren eigenen Internet‑Auftritt verwenden möchte. I. Die Klägerin ist ein anerkannter Erholungsort mit erheblicher touristischer Bedeutung, gelegen in Ostangeln im sogenannten Ferienland Ostsee zwi schen Gelting und Maasholm. Die Gemeinde, gelegen in einer eher struk turschwachen Region, lebt vorwiegend vom Tourismus, wobei sich die überwiegende Zahl von Gästen aus dem Rhein‑Main‑Gebiet, dem Ruhr gebiet bzw. aus Bayern rekrutiert. Innerhalb des Kreises Schleswig‑Flens burg gehört sie neben der Stadt Glücksburg und der Gemeinde Maas holm zu denjenigen Gemeinden mit den größten Übernachtungszahlen und höchster touristischer Bedeutung. Diesseits wird davon ausgegangen, daß die vorstehend dargelegte Bedeutung des Tourismus für die Gemeinde und deren Einwohner als gerichtsbekannt vorausgesetzt werden darf.
Als die Klägerin sich dazu entschloß, sich im Internet zu präsentieren und insbesondere Touristen und potentielle Gäste über die Gemeinde zu informieren, stellte sich die Frage nach der passenden Internet‑Adresse, also einer eigenen Domain. Angesichts der weit verbreiteten und wachsenden Gepflogenheit von Städten und Gemeinden, sich im Internet unter der regionalen Top‑Level‑Domain ".de" mit dem Stadt‑ bzw. Gemeindenamen ohne jeglichen Zusatz zu präsentieren, die sich auch mit dem Suchverhalten der regionalen Internet‑Nutzer deckt, welche durch Eingabe von Städte‑ bzw. Gemeindenamen als Second‑Level‑Domain unmittelbar auf die Homepage der Stadt bzw. Gemeinde zu gelangen wünschen, sollte bei der Deutschen Vergabestelle DENIC die Domain "www.hasselberg.de" konnektiert werden. Es stellte sich jedoch heraus, daß diese Domain bereits vergeben ist, und zwar an den Beklagten.
Der Beklagte betreibt unter dieser Domain, soweit sich dies aus den frei anwählbaren Rubriken erkennen läßt, eine private Homepage. Unter den Rubriken "Winzigweiches" oder "True of Bill" bietet der Beklagte mehr oder weniger Humorvolles. Unter der für alle Besucher frei wählbaren Rubrik "Raubkopien" bietet er den kostenlosen Download dafür nicht lizensierter Computerprogramme und anderer Software an. Was der Beklagte unter seiner Rubrik "Geschützter Bereich" anbietet, ist der Klägerin mangels Registrierung unbekannt. Wir überreichen hierzu als
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‑3 Anlage K 1 einen aktuellen Ausdruck der Homepage des Beklagten. Der Provider der Klägerin schrieb daraufhin in deren Auftrag an den Beklagten, um diesen zur Freigabe der Domain zu bewegen. Der vorprozessual für den Beklagten tätig gewesene Rechtsanwalt Klaus‑Dieter Kutzki aus Karlsruhe wies diese Forderung ohne Begründung zurück, berief sich lediglich auf einen Verstoß des Providers gegen das Rechtsberatungsgesetz. Die Klägerin forderte daraufhin mit eigenem Schreiben vom 17.01.2001, als Anlage K 2 beigefügt, den Beklagten noch einmal zur Freigabe der Domain auf. Dieses Ansinnen lehnte Herr Rechtsanwalt Kutzki mit Schreiben vom 22.01.2001, als Anlage K 3 beigefügt, kategorisch ab. Herr Rechtsanwalt Kutzki, dem die Schönheit des Landes Schleswig‑Holstein und dessen touristische Bedeutung bislang bedauerlicherweise verschlossen geblieben zu sein scheinen, vertrat in jenem Schreiben mit barschen Worten die Ansicht, daß der Beklagte die älteren Rechte an der Domain besitze und der Klägerin mangels jeglicher Bedeutung im Geschäftsverkehr überhaupt kein Recht an dieser Domain zustehen könne. Trotz Versuches der Klägerin mit Schreiben vom 24.01.2001, welches wir als
Anlage K 4 beifügen, dem vorprozessual Bevollmächtigten des Beklagten die Bedeutung der Klägerin näher zu bringen, hat der Beklagte die Domain weiter behalten. Die Klägerin hat daraufhin den Unterzeichner beauftragt, der mit dem als
Anlage K 5
beigefügten Schreiben vom 04.04.2001 noch einmal dazu aufforderte, die Domain freizugeben. Dieses Schreiben blieb ohne jegliche Reaktion seitens des vorprozessual Bevollmächtigten des Beklagten.
Der Beklagte selbst reagierte auf das anwaltliche Aufforderungsschreiben lediglich in der Weise, daß er auf der Startseite seiner Homepage die Klägerin seitdem in der Weise anprangert, daß diese seine Domain zwangsenteignen wolle und ein "Domainklau" durch die Klägerin begangen werde.
Offenbar ermutigt durch die unsachlichen Ausführungen seines vorprozessual Bevollmächtigten verläßt der Beklagte die Ebene jeglicher sachli 4 |
‑4 chen Auseinandersetzungsmöglichkeit, so daß nunmehr Klage geboten ist. II. Der mit der Klage geltend gemachte Anspruch ist begründet, da der Be‑ klagte mit der von ihm für seine Homepage registrierten und konnektier ten Internet‑Domain "www.hasselberg.de" das Namensrecht der Klägerin verletzt. 1. Der Klägerin steht ein Namensrecht gern. § 12 BGB an dem Gemeinde‑ namen "Hasselberg" zu. Sie ist eine juristische Person des öffentlichen Rechts, die gern. § 11 der Gemeindeordnung zur Führung eines eigenen Namens berechtigt ist. § 12 BGB gewährleistet auch für die juristische Person des öffentlichen Rechts den Schutz ihres Namens (so bereits BGHZ 124,173/178, auch OLG Karlsruhe Akt.z.: 6 O 62/99 vom 9. Juni 1999). z. Der Beklagte hingegen besitzt kein Recht an der Domain "www.hasselberg.de", insbesondere kann er sich seinerseits trotz seines Nachnamens gleichen Wortlauts für den Domain‑Namen "hasselberg" nicht auf § 12 BGB berufen. Objekt des Namensschutzes ist bei der na türlichen Person der bürgerliche Name, der sich in Deutschland aus dem Familiennamen und mindestens einem Vornamen zusammensetzt (vgl. Palandt‑Heinrichs, § 12 Rz.5). Die Domain "hasselberg" beinhaltet somit lediglich einen Bestandteil des bürgerlichen Namens des Beklagten. Wenngleich diesseits nicht verkannt wird, daß einige Urteile betreffend Domain‑Streitigkeiten existieren, in denen Namensrechtsschutz gern. § 12 BGB auch isoliert für Nachnamen bejaht wurde, muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß derartige Entscheidungen (z.B. das Urteil des LG Augsburg zu "boos.de"; das Urteil des LG Paderborn zur Familiennamen‑Domain) mit der hier vorliegenden Fallkonstellation nicht vergleichbar sind: Im Urteil des LG Paderborn wurde isoliert dem Nachnamen ein Namensrechtsschutz zuerkannt, allerdings handelt es sich um eine Familie als Rechtssubjekt, also eine Gemeinschaft von Personen, die im Internet unter dem Familiennamen auftraten. Bei dem Beklagten handelt es sich jedoch um eine Einzelperson. Das Urteil des LG Augsburg betraf ein Unternehmen, in dessen Firmierung der Nachname des Firmeninhabers enthalten war und welches im Internet lediglich unter dem Nachnamen des Firmeninhabers auftrat. Hier gewährte das Gericht Namensrechtsschutz über § 12 BGB, allerdings unter dem Gesichtspunkt des namensaitigen Kennzeichens, welchen das Gericht aus der Firmierung ableitete. Das Namensrecht wurde gerade nicht auf den bürgerlichen Namen gestützt. Ähnliche Konstellationen finden sich in anderen Urteilen, wie z.B. der Entscheidung zu "krupp.de". Derartige Fälle sind jedoch mit dem vorliegenden nicht vergleichbar.
Der Beklagte kann sich zur Stützung seiner Ansicht aber auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus nicht auf das Urteil des Landgerichts Augsburg zu "www. boos.de" berufen: während es bundesweit nur eine Gemeinde mit Namen Hasselberg gibt, nämlich die Klägerin, gibt es mehrere Gemeinden mit Namen Boos. Eine Zuordnungsverwirrung kann im vorliegenden Fall also nicht eintreten.
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‑5 3. Da dem Beklagten ein eigenes Namensrecht für den Namen "Hassel‑ berg" in dieser isolierten Form nicht zusteht, der Klägerin jedoch als Ge meinde ein Namensrecht an ihrem Gemeindenamen zusteht, begeht der Beklagte eine Namensrechtsverletzung i.S. der Variante einer Namen sanmaßung gern. § 12 BGB. Er ist demgemäß zur Unterlassung und zur Freigabe der Domain verpflichtet. 4. Der Beklagte kann sich mangels eigenen Rechtes nicht auf den Grund‑ satz der Priorität berufen. Selbst wenn der Beklagte sich jedoch auf ein eigenes Recht ‑ gleich welchen rechtlichen Ursprungs ‑ berufen könnte, würde das Prioritätsprinzip hier durchbrochen: Die Durchbrechnung des Prioritätsgrundsatzes wäre bereits deswegen angezeigt, weil die Klägerin in Ermangelung weiterer Namensbestandteile nicht auf einen anderen Domain‑Namen ausweichen kann, der sie im Rechtsverkehr noch ausreichend individualisieren würde und ihre Auffindbarkeit im Internet gewährleisten würde (vgl. dazu auch das eingangs geschilderte übliche Nutzer‑Verhalten der Direkteingabe von Städte‑ bzw. Gemeindenamen). Dem Beklagten als natürlicher Person ist es hingegen ohne Schwierigkeiten möglich, eine Domain unter seinem bürgerlichen Namen, also einer Zusammensetzung von Vor‑ und Nachname, registrieren zu lassen (bspw. "joerg‑hasselberg.de", welche noch nicht belegt ist). Entscheidender ist jedoch, daß der Grundsatz der Priorität zugunsten der Klägerin durchbrochen werden würde, weil ihr im Verhältnis zu dem Beklagten eine überragende Bedeutung zukommt. Zwar handelt es sich bei der Klägerin um eine kleinere Gemeinde, deren Bekanntheit selbstverständlich nicht mit Städtenamen wie "Berlin" oder "Heidelberg" (diesen ist in entsprechenden Domain‑Streitigkeiten überragende Verkehrsbedeutung zugesprochen worden) vergleichbar ist. Die touristische Bedeutung des Ferienlandes Schleswig‑Holstein, insbesondere des fraglichen Bereichs zwischen Gelting und Maasholm ist jedoch ‑ was als gerichtsbekannt vorausgesetzt wird ‑ groß. Bereits die hohen Übernachtungszahlen in diesem Bereich der Ostseeküste sprechen für eine hohe Bekanntheit der Klägerin. Dem Namen der Klägerin kommt damit eine gesteigerte Verkehrsbedeutung ‑ im Vergleich zum Beklagten überragende Verkehrsbedeutung ‑ zu. Aufgrund der Bedeutung der Klägerin ist die Eingabe des Domain‑Namens"hasselberg.de" für den durchschnittlichen Internet‑User mit der Erwartung verbunden, unter dieser Adresse die Gemeinde Hasselberg vorzufinden.
In diesem Zusammenhang muß insbesondere auch ein Grundsatz Berücksichtigung finden, der sich in der Rechtsprechung im Bereich der Domain‑Streitfälle als ganz herrschende Meinung herausgebildet hat: wer die Domain einer Stadt aufruft, erwartet auf der Internetseite Informationen von der Stadt und über die Stadt. Diese Einschätzung des InternetNutzer Verhaltens, der durch die Rechtsprechung als gefestigter Grundsatz gelten darf, bedingt zur Vermeidung einer Zuordnungsverwirrung der Gemeinde bzw. Stadt hinsichtlich ihres namens als Internet‑Domain den Vorrang zu gewähren, so daß das Prioritätsprinzip auch aus diesem Grunde durchbrochen werden muß. Daß diese Überlegungen auch und gerade im vorliegenden Fall zutreffen, ergibt sich aus der von uns beispielhaft als
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Anlage K 6
beigefügten Eintragung aus dem Gästebuch auf der Homepage des Beklagten vom 05.07.2000 von einem Herrn Robert Stiegler, der unter dieser Adresse eigentlich den Ort Hasselberg in Schleswig‑Holstein vermutete. So geht es vielen Nutzern, die die Klägerin im Internet suchen und auf der Site des Beklagten landen!
Schließlich: ohne die Qualität oder den Informationsgehalt der Website des Beklagten beurteilen zu wollen, ist doch festzustellen, daß sich auf der von ihm betriebenen privaten Website nichts wesentliches finden läßt, was der Verbreitung über das Internet bedürfte oder worauf der Beklagte zu verbreiten angewiesen wäre. Im Gegenteil, die Homepage erfüllt durch deren Rubrik "Raubkopien" sogar Straftatbestände. Da der Auftritt des Beklagten insbesondere auch keinen geschäftlichen Interessen dient, müssen die privaten Belange des Beklagten, die dieser mit seinem Internetauftritt verbindet ‑ und welche diese auch immer sein mögen ‑ hinter den gewichtigen Interessen der Klägerin zurückstehen.
Der Streitwert wird auf 50.000,00 DM geschätzt.
Für die Klägerin
gez. Dr. Emmerich
Rechtsanwalt |